Mietrecht | 23.01.2015

Rauchender Nachbar: Was ist rechtlich möglich?

Ein rauchender Nachbar in einem Mehrparteienmietshaus, der einen anderen Bewohner durch sein „Laster“ beeinträchtigt, muss mit Unterlassungsansprüchen letzteren rechnen.

Die gilt u. a. unabhängig davon, ob der Raucher im Verhältnis zu seinem Vermieter dazu berechtigt ist, zu rauchen.

 

Dies hat der Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.01.2015, Az. V ZR 110/14 entschieden.

Der Fall:

In dem zu entscheidenden Fall hatten die Beklagten, beide Raucher, eine im Erdgeschoß eines Mehrparteienhauses gelegene Wohnung mit Balkon angemietet, die Kläger eine solche im 1. Obergeschoß.

Die Balkone der Parteien lagen direkt übereinander.

Die Kläger, beide Nichtraucher, fühlten sich durch ihre rauchenden Nachbarn bzw. den durch sie verursachten Tabakrauch gestört und erhoben Unterlassungsklage.

Sie begehrten, dass den Beklagten das Rauchen auf dem Balkon während bestimmter Stunden untersagt wird.

Das Amtsgericht wies die Klage ab, das Landgericht die Berufung der Kläger zurück.

Argument:

Ein Rauchverbot sei mit der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Lebensführung, auf die sich auch ein rauchender Nachbar berufen könne, nicht vereinbar.

Diese Freiheit schließe die Entscheidung ein, unabhängig von zeitlichen und mengenmäßigen Vorgaben auf dem zur gemieteten Wohnung gehörenden Balkon zu rauchen.

Zu Recht?

Nein – der u. a. für Besitzschutzansprüche zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zurück.

1.

Ein Mieter könne von demjenigen, der ihn in seinem Besitz durch Immissionen – etwa durch Lärm oder Geruch – störe, grundsätzlich Unterlassung der Störung verlangen.

Ein rauchender Nachbar könne insoweit Störer sein.

Dies gelte auch im Verhältnis von Mietern untereinander.

Der Abwehranspruch des einen Mieters sei insbesondere nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Rauchen des anderen Mieters im Verhältnis zu seinem Vermieter grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehöre.

Denn vertragliche Vereinbarungen zwischen einem Mieter und seinem Vermieter würden nicht die Störungen Dritter rechtfertigen.

2.

Der Abwehranspruch sei jedoch dann ausgeschlossen, wenn die mit dem Tabakrauch verbundenen Beeinträchtigungen nur unwesentlich seien.

Dass sei der Fall, wenn sie auf dem Balkon der Wohnung des Mieters, der sich gestört fühlende, nach dem Empfinden eines verständigen durchschnittlichen Menschen nicht als wesentliche Beeinträchtigung empfunden würden.

3.

Liege hingegen nach diesem Maßstab eine als störend empfundene – also wesentliche– Beeinträchtigung vor, bestehe der Unterlassungsanspruch allerdings nicht uneingeschränkt.

Es komme zu einer Kollision zweier grundrechtlich geschützter Besitzrechte, die in einen angemessenen Ausgleich zu bringen seien:

Denn einerseits stehe dem Mieter das Recht auf eine von Belästigungen durch Tabakrauch freie Nutzung seiner Wohnung zu.

Anderseits habe auch der andere Mieter das Recht, seine Wohnung zur Verwirklichung seiner Lebensbedürfnisse – zu denen auch das Rauchen gehöre – zu nutzen.

Das Maß des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beeinträchtigungen ist nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu bestimmen.

Im Allgemeinen werde dies auf eine Regelung nach Zeitabschnitten hinauslaufen.

Dem Mieter seien Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen önne, während dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen seien, in denen er auf dem Balkon rauchen dürfe.

Die Bestimmung der konkreten Zeiträume hänge von den Umständen des Einzelfalls ab.

4.

Sollte die Geruchsbelästigung – nach obigem (2.)  Maßstab – nur unwesentlich sein, komme gleichwohl ein Abwehranspruch in Betracht, wenn Gefahren für die Gesundheit drohen.

Immissionen, die die Gefahr gesundheitlicher Schäden begründen, seien grundsätzlich als eine wesentliche und damit nicht zu duldende Beeinträchtigung anzusehen.

Bei der Einschätzung der Gefährlichkeit der Einwirkungen durch aufsteigenden Tabakrauch sei allerdings zu berücksichtigen, dass vorliegend im Freien geraucht werde.

Insoweit komme den Nichtraucherschutzgesetzen des Bundes und der Länder, die das Rauchen im Freien grundsätzlich nicht verbieten, eine Indizwirkung dahingehend zu, dass mit dem Rauchen auf dem Balkon keine konkreten Gefahren für die Gesundheit anderer einhergehen.

Nur wenn es dem sich gestört fühlenden  Mieter gelinge, diese Annahme zu erschüttern, indem er nachweise, dass im konkreten Fall der fundierte Verdacht einer Gesundheitsbeeinträchtigung bestehe, werde eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegen und deshalb eine Gebrauchsregelung getroffen werden müssen.

Fazit:

Des einen Freud, ist des anderen Leid!

Das Thema „Rauchender Nachbar“ wird auch in Zukunft die Gerichte beschäftigen.

Denn die Frage der „Wesentlichkeit der Beeinträchtigung“ kann nicht abstrakt beantwortet, sondern muss im jeweiligen Einzelfall geprüft werden.

Demnächst wird der VIII. Zivilsenat zu entscheiden haben, ob und unter welchen Bedingungen ein Vermieter wegen (extensiven) Rauchens des Mieters das Mietverhältnis beenden kann.

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