Verkehrsrecht | 17.05.2017

VW-Schummelsoftware: Käufer kann zurücktreten!

Hält ein Fahrzeug die „verkauften“ Abgaswerte nur mittels einer Software ein, begründet dies einen erheblichen Sachmangel, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt.

 

Dies hat das LG Stade, Urteil vom 08.12.2016, Az. 3 O 123/16, entschieden.

Der Fall:

In dem zu entscheidenden Fall erwarb der Kläger einen Neuwagen, der (angeblich) die Abgaswerte der Euro-5-Abgasnorm einhalten sollte.

Tatsächlich war im Fahrzeug die sog. VW-Schummelsoftware verbaut:

Das Fahrzeug hielt die Abgaswerte nur mit deren Hilfe und nur unter besonderen Bedingungen ein.

Der Kläger setzte der Beklagten angemessene Nacherfüllungsfrist, die ergebnislos verstrich.

Daraufhin erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag, denn seiner Meinung nach begründete das Vorhandensein der VW-Schummelsoftware einen erheblichen Mangel des Fahrzeugs.

Zu Recht?

Ja – das LG Stade bejaht ein Rücktrittsrecht des Klägers wegen des Vorhandenseins der VW-Schummelsoftware.

1.

Das Fahrzeug habe zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs, also zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger, einen erheblichen Sachmangel i. S. v. § 434 BGB aufgewiesen.

Die in dem Fahrzeug unstreitig verbaute VW-Schummelsoftware  zur Beeinflussung der Schadstoffemissionen im Testbetrieb stelle einen Sachmangel i. S. v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar.

Denn das Fahrzeug weise keine Beschaffenheit auf, die bei Sachen der gleichen Art üblich sei und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten könne.

a.

Fahrzeuge, die – wie hier – als „EU5“ klassifiziert seien, müssten die vorgegebenen Abgaswerte auch im gewöhnlichen Betrieb einhalten.

Die sei bei dem durch den Kläger erworbenen Fahrzeug allerdings nicht der Fall, weil die geforderten Grenzwerte nur mittels der VW-Schummelsoftware, also durch Manipulation, eingehalten würden und auch nur dann, wenn diese einen Prüfvorgang erkenne.

Wäre die VW-Schummelsoftware hingegen nicht eingesetzt (worden), wären die gesetzlich vorgeschriebenen NOx-Emissionswerte überschritten worden.

Dass das Fahrzeug die Vorgaben der Abgasnorm im Normalbetrieb nicht einhalte, sei unstreitig.

b.

Unabhängig hiervon verfüge das Fahrzeug – ohne VW-Schummelsoftware – auch nicht über die in der Werbung und den Verkaufsprospekten des Herstellers dargestellten und beworbenen Abgaswerte der Euro-5-Abgasnorm.

Diese Angaben würde die zu erwartende bzw. erwartbare, objektive Beschaffenheit des Fahrzeugs erweitern, § 434 Abs. 1 S. 3 BGB, wenn nicht sogar von einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen sei.

2.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei obiger Mangel auch nicht nur erheblich i. S. v. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB.

Denn in die zur Bestimmung der Erheblichkeit des Mangels erforderliche, umfassende Interessenabwägung sei insbesondere auch einzustellen, dass die Käufer derartiger Fahrzeuge jahrelang durch die Herstellerangaben über die Einhaltung der Abgaswerte bewusst getäuscht worden sind.

Ein derart unredliches Verhalten stehe schon im Ansatz der Einordnung des Mangels als unerheblich entgegen.

Fazit:

1.

Nachdem VW bereits in den USA größte (rechtliche) Probleme in Zusammenhang mit der VW-Schummelsoftware bekommen und zu lösen hatte und hat, haben sich mittlerweile auch zahlreiche deutsche Gerichte mit der VV-Schummelsoftware befasst.

Dabei liegt die richtige Entscheidung des LG Stade auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung zahlreicher anderer Landgerichte, bspw. jener in Braunschweig, Münster, Lüneburg und Bochum.

2.

Ob in derartigen Fällen des sog. Abgasskandal vor dem Rücktritt eine Frist zur Nacherfüllung überhaupt erforderlich ist, erscheint aus zweierlei Gründen als fraglich:

Zum einen ist gut vertretbar, dass  infolge der jahrelangen bewussten Täuschung potentieller Käufer durch den VW-Konzern, die sich die Vertragshändler zurechnen lassen müssen,  eine Frist zur Nacherfüllung wegen Unzumutbarkeit entbehrlich ist.

Zweitens stellt sich die Frage, ob der Mangel, nämlich die Überschreitung der Abgaswerte der Euro-5-Abgasnorm, überhaupt beseitigt werden kann.

Ist die Mangelbeseitigung unmöglich, ist eine Frist zur Nacherfüllung vor Rücktritt denknotwendig nicht erforderlich.

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