Wohnungseigentumsrecht | 15.03.2017

Entziehung des Wohnungseigentums: Messie-Syndrom kann dies rechtfertigen!

Leidet ein Wohnungseigentümer unter dem sog. Messie-Syndrom und wird hierdurch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schwer beeinträchtigt, so kann dies die Entziehung des Wohnungseigentums rechtfertigen, auch wenn das Messie-Syndrom dem betroffenen Wohnungseigentümer letztlich nicht schuldhaft und nicht subjektiv vorwerfbar ist.

 

Dies hat das Landgericht Hamburg, Urteil vom 06.04.2016, Az. 318 S 50/15, entschieden.

Der Fall:

In dem zu entscheidenden Fall litt der beklagte Wohnungseigentümer unter dem sog. Messie-Syndrom. 

Er hortete in und außerhalb seiner Wohnung große Mengen von Unrat und Gegenständen jedweder Art, was zu einem Rattenproblem geführt hatte.

Des Weiteren hatte die „Sammellust“ zur Folge, dass (dringend) notwendige Arbeiten an Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht durchgeführt werden konnten.

Gestank aus der Wohnung des beklagten Wohnungseigentümer störte die Gemeinschaft im Übrigen.

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft beschloss deshalb die Entziehung des Wohnungseigentums.

Die hiergegen gerichtete Beschlussanfechtungsklage wies das Amtsgericht ab.

Zu Recht?

Ja – das LG Hamburg weist die Berufung des unter dem Messie-Syndrom leidenden Wohnungseigentümers zurück, weil die Entziehung des Wohnungseigentums gerechtfertigt sei:

1.

Die Klägerin haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Veräußerung des Wohnungseigentums gemäß §§ 18 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1; 14 Nr. 1 WEG. 

Voraussetzung eines Entziehungsanspruchs sei, dass ein Wohnungseigentümer sich einer so schweren Verletzung der ihm gegenüber den anderen Wohnungseigentümern obliegenden Verpflichtungen schuldig gemacht habe, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm unzumutbar sei.

Ziel der Entziehung des Wohnungseigentums sei es, künftige Störungen der Wohnungseigentümergemeinschaft zu verhindern, nicht vergangenes Handeln zu sanktionieren.

Bei der Entscheidung der Frage, ob die Pflichtverletzung des Störers ein Ausmaß erreiche, das zu einem Anspruch auf Veräußerung des Wohnungseigentums führe, seien alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und die Interessen der Beteiligten insgesamt gegeneinander abzuwägen.

Eine Pflichtverletzung im Sinne von § 18 WEG setze dabei nicht zwingend ein schuldhaftes und subjektiv vorwerfbares Verhalten voraus.

Auch ein aufgrund der individuellen Disposition für den Wohnungseigentümer nicht oder nur schwer vermeidbares Verhalten könne zur Folge haben, dass den Wohnungseigentümern eine Fortsetzung der Gemeinschaft nicht mehr zugemutet werden könne.

2.

Im vorliegenden Fall sei dies zu bejahen.

Das Verhalten des Beklagten beeinträchtige die anderen Bewohner zwischenzeitlich in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise, so dass die Grenze der Zumutbarkeit überschritten sei.

Die Kammer verkenne bei allem nicht, dass angesichts der Schwere des mit der Entziehung des Wohnungseigentums verbundenen Eingriffs in grundrechtlich geschützte Bereiche die Anforderungen an § 18 WEG hoch seien.

Hier lägen die Voraussetzungen jedoch angesichts der seit vielen Jahren im Wesentlichen unverändert andauernden Problematik und der anhaltenden Intensität der Störungen vor.

Ob man hier Begriffe wie „Messie-Syndrom“ oder „Unrat“ verwende, sein dabei nicht ausschlaggebend. Es komme nicht auf Begrifflichkeiten an, sondern auf die zugrunde liegenden Tatsachen.

Diese seien durch ein Wohnverhalten des Beklagten gekennzeichnet, das dazu geführt habe, dass notwendige Arbeiten am Gemeinschaftseigentum bis zum heutigen Tage nicht hätten umgesetzt werden können.

Ein seit langem von der Gemeinschaft beschlossener vollständiger Austausch der Fenster sei bisher in der Wohnung des Beklagten nicht möglich gewesen, weil  eine Montage der Fenster wegen Platzmangels nicht möglich war infolge des dort gelagerten Unrats.

Auch der Einbau von Kaltwasserzählern, zu dessen Duldung der Beklagte bereits im Jahr 2012 rechtskräftig verurteilt worden sei, sei nicht durchgeführt worden.

Die Ablesung der Heizkörper sei wiederholt nicht durchsetzbar gewesen. 

Außerdem beschränke sich der Beklagte nicht darauf, Dinge innerhalb seiner eigenen Wohnung anzusammeln. Auch sein Kellerverschlag und der Tiefgaragenstellplatz seien betroffen.

Fazit:

Die Einzelfallentscheidung des LG Hamburg ist vertretbar.

1.

Die Entziehung des Wohnungseigentums stellt im Wohnungseigentumsrecht einen schweren Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentum dar.

Eine Verpflichtung zur Veräußerung ist deshalb nur unter engen Voraussetzungen als ultima ratio zulässig.

2.

Dem Beschluss nach § 18 Abs. 3 Satz 1 WEG muss regelmäßig eine Abmahnung durch Miteigentümer, Verwalter oder Eigentümerversammlung vorausgehen.

Dies ist für Verstöße gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG ausdrücklich geregelt, in der Regel aber auch dann erforderlich, wenn die Entziehung auf § 18 Abs. 1 WEG gestützt wird, ohne dass ein Regelbeispiel des § 18 Abs. 2 WEG erfüllt ist.

Denn die Entziehung des Wohnungseigentums soll nur letztes Mittel sein. Deshalb soll der betroffene Miteigentümer zuvor eine letzte Warnung erhalten. 

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